— Christen: unter Gesetz und Gnade, oder allein unter der Gnade?

 

Luther und Paulus: derselbe Kampf, dasselbe Evangelium! Dies könnte wohl der Gesamteindruck eines Lesers sein, nachdem er Luthers grossen Galaterbrief-Kommentar aus der Hand legt (Vorlesungen gehalten 1531, herausgegeben 1535). In der Tat bringt Luther gewichtige Argumente ein, wenn er vertritt dass der Kampf den er in der Kirche seiner Zeit zur Verteidigung der Rechtfertigung geführt hat, treu den Kampf widerspiegelt, den der Apostel Paulus selber führen musste um das Evangeliums von Christus gegen die, welche es verfälschten, zu verteidigen.

Auf dieser Basis könnte man erwarten, dass die Lehre Luthers perfekt mit der Lehre des Apostel Paulus übereinstimmt. Leider ist das nicht so: neben vielen Gemeinsamkeiten, bestehen auch wichtige Unterschiede. Als ich 1983 begann diese Dissonanz zu entdecken, war es bestimmt ein Schock, aber auch der Beginn einer Entzifferung, die Eröffnung eines neuen Horizontes. So begann für mich ein langer Weg bestehend aus Einsamkeit, Gebet, Recherchen und Überlegungen, vielen Zweifeln auch, und von Zeit zu Zeit Diskussionen mit lutherischen Pastoren, Laien und Theologieprofessoren. Diese Austäusche fanden meist schriftlich statt. Zu Beginn der Jahre 2000, gelang ich allmählich zu einem genaueren Verständnis der Ortung und Struktur der Risse zwischen beiden Lehren.

Der folgende Brief ist ein Teil dieser Korrespondenz, und gibt, so hoffe Ich, eine relativ gründliche Beschreibung des ersten bedeutenden Unterschieds, wie ich ihn sehe. Um der Klarheit willen, habe ich einige Notizen dem Originalbrief beigefügt.

Zu Beginn des Briefes zeige ich auf, was Luther genau lehrt bezüglich der Herrschaft des Gesetzes und der Gnade im Leben der Christen, und mache zugleich deutlich, wie diese Lehre von dem abweicht was Paulus in Gal. 3, 25 und Gal. 5, 18 gelehrt hat. Ich untersuche dann ferner was Luther in diesem Punkt verleitet haben mag. Zuletzt führe ich die verschiedenen Aspekte der Kollision zwischen beiden Lehren auf, und stelle sie nebeneinander. Um die Navigation zu erleichtern, bestehen Links zwischen dem Körper des Briefes und den Fussnoten. Die Hervorhebungen in den Zitaten sind von mir.

Ich möchte diese Einführung mit einem Zitat des grossen Galaterbrief-Kommentars beenden, in dem Luther Ratschläge gibt, die in der gegenwärtigen Lage nützlich sein könnten.

“Aber du sagst: Die Kirche ist heilig, die Väter sind heilig. Das ist recht. Aber wenn die Kirche auch noch so heilig ist, so muss sie doch beten: “Vergib uns unsere Schuld.“ So sind auch die Väter, so heilig sie auch waren, doch nur durch die Vergebung der Sünden selig geworden. Darum soll man weder mir glauben, noch der Kirche, noch den Vätern, noch den Aposteln, noch auch einem Engel vom Himmel, wenn wir etwas wider das Wort Gottes lehren, sondern das Wort des Herrn soll bleiben in Ewigkeit. Sonst wäre dieser Grund der falschen Apostel von uberaus grosser Beweiskraft gewesen wider die Lehre des Paulus, denn es war, sage ich, wahrlich eine grosse, grosse Sache, dass sie die ganze Kirche mit der ganzen Schaar der Apostel den Galatern entgegenhielten wider den einigen Paulus, der noch dazu erst später hinzugekommen war und ein geringeres Ansehen hatte. Es war also ein sehr fester Grund und überaus beweiskräftig. Denn niemand sagt gern, dass die Kirche irre, und doch muss man von Noth sagen, sie irre, wenn sie etwas ohne oder auch wider das Wort Gottes lehrt.“

W 2 Band IX, Gal. 1, 11-12  c. 97-98  § 182

 

 

Juni 2003

 

Lieber Professor,

 

Ich hätte gerne schon eher auf Ihren Brief geantwortet, aber der Umzug und der Neuanfang hier haben mich ziemlich beansprucht. Dazu wollte ich noch eine Hypothese eingehend prüfen. Damit der Brief nicht allzu lang wird, möchte ich nur das anssprechen was mir am wichtigsten scheint.

Unter Punkt III des Briefes sagen Sie, Luther lehre nicht, dass die Christen im Fleisch noch unter dem Gesetz stehen und leben, Pannenberg würde mit dieser Behauptung (1) Luther nicht gerecht werden. Der Ausdruck “die Christen im Fleisch“ scheint mir in diesem Kontext missverständlich zu sein, weil man darunter die ganze Person der Christen in ihrem irdischen Leben verstehen könnte (2. Kor. 10, 3; Gal. 2, 20; Phil. 1, 22-24). Die Bezeichnung “die Christen nach dem Fleisch“ finde ich besser geeignet um Luthers Standpunkt genau wiederzugeben, zumal er diesen Ausdruck selber öfters gebraucht. Es gibt viele Stellen in denen Luther zweifellos lehrt dass das Fleisch der Christen unter dem Gesetz ist, und der Zeit des Gesetzes unterworfen bleiben muss. Ich möchte hier nur folgende Stellen aus dem grossen Galaterbrief-Kommentar zitieren.

“Denselben Kampf erfährt jeder Christ. Es sind viele Stunden, in welchen ich mit Gott hadere und ihm ungeduldig widerstrebe. Mir missfällt der Zorn und das Gericht Gottes. Dagegen missfällt ihm meine Ungeduld, mein Murren, etc. Und dies ist die Zeit des Gesetzes, unter welcher der Christ, nach dem Fleische, immer ist. Denn das Fleisch gelüstet beständig wider den Geist und der Geist wider das Fleisch, doch in einem mehr, in dem andern weniger.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 451-452  § 563

So ist also ein Christ zwischen zwei Zeiten getheilt. Sofern er Fleisch ist, ist er unter dem Gesetz, sofern er Geist ist, ist er unter der Gnade. Dem Fleische hangt beständig die böse Lust an, Geiz, Ehrsucht, Hochmuth, etc; ihm hangt die Unkenntniss und Verachtung Gottes an, Ungeduld, Murren und Zorn wider Gott, dass er unsere Anschläge und Vornehmen hindert, dass er die Gottlosen und Verächter nicht flugs straft, etc. Solche Sünden hangen dem Fleische der Heiligen an. Darum wirst du, wenn du auf nichts Anderes siehst als das Fleisch, beständig unter der Zeit des Gesetzes sein.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 452  § 567

„Das heisst, wenn ich Christum ansehe, so bin ich ganz heilig und rein, weiss gar nichts vom Gesetze, denn Christus ist mein Sauerteig. Wenn ich aber mein Fleisch ansehe, so fühle ich Geiz, Unkeuschheit, Zorn, Hochmuth, etc. Furcht vor dem Tode, Traurigkeit, Schrecken, Hass, Murren und Ungeduld wider Gott. Sofern diese da sind, sofern ist Christus nicht da, oder wenn er da ist, so ist er nur schwach da. Hier ist noch ein Zuchtmeister nöthig, der den starken Esel, das Fleisch, übe und plage, damit durch diese Zucht die Sünden vermindert werden, und Christo der Weg bereitet wird.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 462  § 599

Auf einem etwas indirekteren Weg kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis. Luther beginnt bekanntlich die Erklärungen zu den zehn Geboten mit den Worten: “Wir sollen Gott fürchten und lieben…“ In diesem “wir“ sind die Christen eindeutig mitgemeint (2). Wenn die Christen also vom Gesetz her noch etwas sollen, dann müssen sie ja, nach Luthers Auffassung, noch irgendwie unter dem Gesetz sein.

Die Lehre dass die Christen nach dem Fleisch unter dem Gesetz seien ist keine Randerscheinung bei Luther, sondern ein untrennbarer Teil seiner Aussagen bezüglich des usus theologicus des Gesetzes gegenüber Christen. Sie bildet die Basis auf welcher der zweite Gebrauch des Gesetzes bei Christen ruht. Es kann für Christen doch nur eine Zeit des Gesetzes geben, ein Üben und Plagen ihres Fleisches durch den Zuchtmeister Gesetz, insofern sie nach dem Fleisch unter dem Gesetz sind. Als solche Basis ist diese Lehre auch in die Bekenntnissschriften aufgenommen worden. So lässt die Konkordienformel das obige letzte Zitat und ähnliche Stellen (3) in der Solida Declaratio widerhallen.

Soviel aber den alten Adam belanget, der ihnen noch anhanget, muss derselbig nicht allein mit Gesetz, sondern auch mit Plagen getrieben werden, der doch alles wider seinen Willen und gezwungen tuet, nicht weniger als die Gottlosen durch Trauungen des Gesetzes getrieben und im Gehorsamb gehalten werden 1. Cor. 9. Rom. 7.“

SD VI  § 19

Denn der alte Adam, als der unstellig, streitig Esel, ist auch noch ein Stück an Ihnen, das nicht allein mit des Gesetzes Lehre, Vermahnung, Treiben und Drauen, sondern auch oftermals mit dem Knüttel der Strafen und Plagen in den Gehorsamb Christi zu zwingen, bis das Fleisch der Sünden ganz und gar ausgezogen und der Mensch vollkommlich in der Auferstehung erneuert, do er weder der Predigt des Gesetzes noch seiner Trauung und Strafen, wie auch des Evangelii nicht mehr bedürfen wird, die in dies unvollkommen Leben gehören…“

SD VI  § 24

Ich bin mir bewusst dass Luther die Freiheit der Christen vom Gesetz mit allem Nachdruck lehrt, leider lässt er es aber nicht dabei bleiben. Irgendwann erscheint in seiner Darstellung ein “ja aber…“, nach welchem er die Notwendigkeit einer Zeit des Gesetzes für das Fleisch der Christen einführt. Die Freiheit der Christen vom Gesetz schränkt er dann ein auf ihr Gewissen oder ihr neuer Mensch (4). Das nächste etwas längere Zitat ist typisch für diese Vorgehensweise.

V. 25. Nun aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister.

Das heisst, wir sind frei vom Gesetz, vom Kerker und unserm Zuchtmeister, denn er schreckt und quält uns nicht mehr, nachdem der Glaube offenbart ist.

Paulus redet hier von dem Glauben, welcher zur bestimmten Zeit durch Christum gepredigt worden ist. Denn da Christus die menschliche Natur angenommen hatte, kam er einmal zu der bestimmten Zeit, that das Gesetz mit allen seinen Wirkungen ab und befreite durch seinen Tod alle die, welche seine Wohltat im Glauben ergreifen, von der Sünde und dem ewigen Tode. Wenn du also Christum und das, was er ausgeführt hat, ansiehst, so gibt es kein Gesetz mehr. Denn da er zu der vorherbestimmten Zeit kam, so hat er recht eigentlich (verissime) das ganze Gesetz aufgehoben. Da aber das Gesetz aufgehoben ist, werden wir nicht mehr unter seiner Tyrannei verwahrt, sondern leben unter Christo sicher und fröhlich, der nun mit seinem Geiste in lieblicher Weise in uns regiert. Wo aber der Herr ist, da ist Freiheit (2 Cor. 3, 17).

Deshalb, wenn wir Christum, der das Gesetz abgethan hat und durch seinen Tod uns Sünder mit dem Vater versöhnt, vollkommen ergreifen könnten, so hätte dieser Zuchtmeister durchaus kein Recht an uns. Aber das Gesetz in unseren Gliedern widerstreitet dem Gesetz in unserem Gemüthe, so dass wir Christum nicht vollkommen ergreifen können. Der Mangel ist daher nicht bei Christo, sondern bei uns, die wir das Fleisch noch nicht ausgezogen haben, welchem die Sünde anhängt, so lange wir leben. So sind wir, was uns betrifft, zum Theil frei vom Gesetz, zum Theil unter dem Gesetze. Wir dienen, mit Paulus, mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde, Röm. 7, 25.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 460-461  § 593-595

Es scheint Luther weiter nicht zu stören, dass er am Ende etwas anderes lehrt als was der Apostel in Vers 25 behauptet hat. Ein Paar Zeilen weiter, ändert Luther das “nicht mehr“ welches Paulus in diesem Vers ausgesprochen hat, in die grundverschiedene Behauptung, dass das Gesetz bei den Christen ein Zuchmeister bleiben muss, so weit bei ihnen das Fleisch bleibt.

“In der That aber klebt dem Fleische dennoch die Sünde an, welche fort und fort das Gewissen anklagt und beunruhigt. So weit also das Fleisch bleibt, so weit bleibt auch das Gesetz ein Zuchtmeister, welcher fort und fort das Gewissen zu schrecken und traurig zu machen pflegt durch Anzeigen der Sünde und Drohen des Todes.“

W 2 Band IX, Gal 3, 25  c. 461  § 597

In der Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532) vergreift sich Luther ein zweites Mal an dieser Stelle, in dem er die Zeit des Verbs “kommen“ ändert, und aus der Vergangenheit ein Präsens macht.

„Wenn sie nun beide, Gesetz und Evangelium, auf einander stossen, und das Gesetz findet mich einen Sünder, beschuldigt und verdammt mich; das Evangelium aber spricht, Matth. 9, 2: “Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben“, du sollst selig sein; beides ist’s Gottes Wort; welchem aber soll ich hier folgen? Das lehrt dich St. Paulus: “Wenn der Glaube kommt (spricht er), so sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister“, so hört das Gesetz auf.“

W 2 Band IX,  c. 808  § 19

Eine solche Änderung der Zeit hat Luther schon zu Gal. 3, 24 vorgenommen.

V. 24. Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christum.

Wiederum verbindet er im Herzen das Gesetz und das Evangelium, welche der Sache nach aufs weiteste geschieden sind, da er sagt: “Das Gesetz ist unser Zuchtmeister auf Christum.“ Es ist aber auch dieses Gleichniss vom Zuchtmeister ein gar treffliches, deshalb muss es sorgfältig betrachtet werden.

W 2 Band IX, Gal. 3, 24  c. 456  § 580 (s. auch W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 420-421  § 474-476 und Gal. 3, 20  c. 433  § 510)

Zu Gal. 3, 26, fügt Luther dann noch eine weitere Änderung ein.

“Ich überlasse es den Rednern, dass sie diese Stelle von der unaussprechlichen Gnade und Herrlichkeit, die wir in Christo Jesu haben, weiter ausführen und hoch erheben, nämlich, dass wir arme Sünder, die wir von Natur Kinder des Zorns sind (Notiz: bei Paulus Eph. 2, 3: „…und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern.“), zu dieser Ehre gelangen, dass wir, da wir an Christum glauben, Kinder und Erben Gottes, Miterben Christi und Herren über Himmel und Erde werden; wiewohl keine Zunge, weder die eines Menschen noch eines Engels, diese Herrlichkeit hoch genug preisen kann.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 26  c. 464  § 603

Luther begnügt sich aber nicht diese Änderungen vorzunehmen. Er tadelt Paulus auch noch halbwegs weil die Lehre des Apostels nicht besser in den (lutherischen) Gesetz-Evangeliumsrahmen passt. Zu Gal. 5, 18, eine weitere Schlüsselstelle, bemerkt er:

V. 18. Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetze.

Paulus kann seiner Lehre vom Glauben nicht vergessen, sondern wiederholt sie immer und schärft sie auch ein, wenn er von guten Werken handelt. Hier möchte jemand einwenden: Wie kann das sein, dass wir nicht unter dem Gesetz sein sollen? Du, Paulus, lehrst doch, dass wir Fleisch haben, welches wider den Geist gelüste, welches streite, uns plage und gefangennehme etc. und in der That fühlen wir die Sünde, können auch von diesem Gefühl nicht frei werden, so sehr wir auch wollen. Das heisst sicherlich unter dem Gesetze sein! Warum also, lieber Paulus, sagst du, dass wir nicht unter dem Gesetze seien?“

W 2 Band IX, Gal. 5, 18  c. 693  § 237

Bei diesem Vers geht Luther dann ähnlich vor wie bei Gal. 3, 25, in dem oben angeführten längeren Zitat. Die Freiheit der Christen von den Anklagen des Gesetzes wird zuerst behauptet, bevor diese Anklagen, ein Paar Zeilen weiter, für dieselben Christen wieder eingeführt werden.

„Darum sind die Gottseligen nicht unter dem Gesetze, nämlich nach dem Geist, denn das Gesetz kann sie nicht anklagen und das Todesurtheil wider sie fällen, obgleich sie selbst die Sünde fühlen und bekennen, dass sie Sünder seien, weil dem Gesetz durch Christum sein Recht genommen ist, der unter das Gesetz gethan ist auf dass er die, so unter dem Gesetze waren, erlösete. Darum kann das Gesetz das, was in Wahrheit Sünde wider das Gesetz ist, an den Gottseligen nicht als Sünde verklagen

… Sodann, weil sie auch im Geist wandeln und von ihm regiert werden, sind sie nicht unter dem Gesetze, das heisst, das Gesetz kann sie nicht verklagen und erschrecken etc., oder wenn es dies auch unternimmt, so kann es sie dennoch nicht in Verzweiflung treiben.“

W 2 Band IX, Gal. 5, 18  c. 693-695  § 238+242

Was das Gesetz nicht tun kann, tut es also dennoch. Diese Widersprüchlichkeit kommt auch zum Ausdruck in der folgenden Stelle.

„Stimme du ihm (deinem Fleisch) nur nicht bei, sondern wandele im Geiste und lass dich von ihm regieren, damit du seine Lüste nicht vollbringest. Wenn du dies thust, so bist du frei vom Gesetze. Es verklagt und schreckt dich zwar, aber vergeblich etc. Daher ist in solchem Kampfe des Fleisches wider den Geist nichts Besseres, als dass man das Wort vor Augen habe und daraus Trost des Geistes hole.“

W 2 Band IX, Gal. 5, 18  c. 694  § 239

Ich wünschte ich könnte die Gesetzlichkeit in den lutherischen Freikirchen als etwas vorübergenhendes abschätzen, als ein Missstand der bedingt war durch äussere Umstände wie herrschender Rationalismus, oder Fehleinschätzungen in Bezug auf christliche Ethik (Karten spielen, tanzen, etc.). Auf Grund der oben zitierten Stellen komme ich aber zu dem Schluss dass Gesetzlichkeit ein wesentlicher Zug lutherischer Lehre und Verkündigung ist. Diese Gesetzlichkeit mag sich im Laufe der Zeit, je nach Umständen, auf verschiedene Weisen geäussert haben, sie ist aber eine Konstante in diesen Kirchen. Es ist klar dass in den meisten Gemeinden Gesetz und Evangelium schon lange nicht mehr à la Walther oder nach dem Giesskannenprinzip gepredigt werden, aber der angeblich theologische Gebrauch des Gesetzes wird weiterhin gegenüber Christen angewandt, wenn auch nur in einer lauwarmen Form.

Wie kann man, mit Luther, von der Zucht oder dem Amt des Gesetzes erwarten dass sie die Sünden bei den Christen vermindern oder dass dadurch das Fleisch der Heiligen täglich getötet werde (5) wenn Paulus lehrt dass sich die sündlichen Lüste durch das Gesetz erregen (Röm. 7, 5) und das Gesetz die Kraft der Sünde ist (1. Kor. 15, 56)? Nicht dass Luther diesen Teil der Lehre des Paulus übersehen hätte; auch er predigt und lehrt dass die Sünde durch das Gesetz vermehrt wird (6). Luther lässt diese beiden widersprüchliche und unvereinbare Aussage-Gruppen einfach nebeneinander stehen.

Wenn Paulus nun lehrt dass das Fleisch durch das Gesetz zum sündigen angefacht wird, und Luther das auch klar gesehen hat, könnte man sich fragen warum für Luther das Fleisch der Christen dennoch unter dem Gesetz sein muss. Warum muss es nach Luther für die Christen eine Zeit des Gesetzes geben, obschon die nötige Konsequenz aus der Lehre des Paulus ist, dass das Fleisch der Christen durch das Gesetz während einer Zeit des Gesetzes zum sündigen angefacht wird?

Ist es nicht als hätte ein Feuerwehrhauptmann seinen Leuten ausführlich erklärt dass Benzin an sich zwar ein guter Stoff ist, aber absolut ungeeignet um einen Brand zu bekämpfen und zu löschen, und dann bei einem Einsatz einer der Feuerwehrmänner dennoch ab und zu das Feuer anhand eines Benzinschlauchs begiesst, mit der festen Überzeugung nicht nur den Leuten im brennenden Haus, sondern auch seinen Kollegen damit einen guten Dienst zu leisten?

Was dabei besonders seltsam scheint, ist dass dieser Feuerwehrmann nicht nur die Weisung des Hauptmanns, kein Benzin zur Feuerbekämpfung zu gebrauchen, sondern auch den Grund für diese Weisung, nämlich dass Benzin ein Brennstoff ist der andere Brennstoffe zum aufflammen bringt, sehr gut verstanden hat. Und trotzdem benutzt er beim Einsatz regelmässig Benzin, und empfiehlt anderen Feuerwehrmännern dasselbe zu tun. Warum?

Ein Teil der Antwort liegt, meiner Ansicht nach, in der Überzeugung Luthers, die ich so formulieren möchte: “Sünde muss geknüppelt werden“, und als Folgesatz: “Ich als Sünder muss geknüppelt werden“ (7). Es ist nicht verwunderlich dass Luther in diesem Zusammenhang immer wieder auf Röm. 7, insbesondere Röm. 7, 25 zurückkommt (8). Hier drückt Paulus auf unwiderlegbare Weise aus, dass in ihm Paulus und daher in allen Christen, die Sünde oder das Fleisch wohnt, dass der Christ mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde dient, und dass daher -so Luthers Logik- das Fleisch oder die Sünde dort auch geknüppelt werden müssen. Und was eignet sich besser zum Knüppeln als das Gesetz?! Aber um das Fleisch so behandeln zu können, darf es vom Gesetz nicht losgesprochen werden, sondern muss unter dem Gesetz verschlossen bleiben.

Nun könnte man noch einen Schritt weiter gehen und fragen: “Warum müssen denn die Sünde und der Christ mit dem Gesetz geknüppelt werden? Worin liegt der Nutzen?“. Luther antwortet selber auf diese Fragen. Die Notwendigkeit der Gefangenschaft des Fleisches unter dem Gesetz begründet er mit einem vermeintlichen Nutzen der Schläge des Gesetzes für die Heiligung der Christen: Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit und den Bedarf der Rettung durch Christus, Förderung des Verlangens nach der Gnade in Christus, mehr Demut, weniger Sünde, Tötung des Fleisches, etc. (9) Gleich nachdem er diese Gründe angegeben hat, fügt er noch einen weiteren Nutzen hinzu.

“Paulus gibt also auf diese Frage: Wenn das Gesetz nicht rechtfertigt, wozu dient es denn? diese Antwort: Obgleich es durchaus nicht rechtfertigt, ist das Gesetz doch sehr nützlich und nothwendig. Erstens hält es im bürgerlichen Brauche die fleischlich gesinnten und rohen Leute im Zaum. Sodann zeigt es auch dem Menschen, wie er beschaffen sei; dass er ein Sünder sei, also schuldig des Todes und des ewigen Zornes werth. Wozu dient nun diese Demüthigung, das Zerschlagen und Zermalmen mit diesem Hammer, nämlich dem Gesetze? Es dient dazu, dass der Gnade der Zugang zu uns offen stehe. So ist also das Gesetz ein Diener und ein Bereiter (praeparatrix) zur Gnade. Denn Gott ist ein Gott der Demüthigen, Elenden, Betrübten, Unterdrückten, Verzweifelten und derer, die ganz und gar zu Nichts geworden sind, und seine Weise ist, dass er die Niedrigen erhöht, die Hungrigen spreist, die Blinden erleuchtet, die Elenden und Betrübten tröstet, die Sünder gerecht macht, die Todten lebendig, die Verzweifelten und Verdammten selig macht etc. Denn er ist der allmächtige Schöpfer, der aus Nichts alles macht.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 416  § 464

Dieser Brauch des Gesetzes ist also sehr gut, nämlich, dass man dasselbe so weit gebrauchen kann, als es demüthig und dürsten macht nach Christo. Denn er will durstige Seelen haben, welche er aufs lieblichste zu sich lockt, da er spricht [Matth. 11, 28.]: „Kommet her zu mir alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Darum tränkt und feuchtet er gar gern dieses dürre Land. Er giesst seine Gewässer nicht auf ein fettes, gesättigtes und nicht durstendes Land. Seine Güter sind unschätzbar, darum schenkt er sie nur den Bedürftigen, predigt den Armen das Evangelium, tränkt die Durstigen. „Wen da dürstet (sagt er Joh. 7, 37.), der komme zu mir und trinke.“ „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind“ etc. [Ps. 147, 3], das heisst, diejenigen, welche durch das Gesetz geplagt und gemartert sind, tröstet er und macht sie selig.  Darum ist das Gesetz nicht wider die Verheissungen Gottes.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 21  c. 436-437  § 519

Wem ist also Gott wohlgesinnt? Wem zeigt er seine Gunst? Wen lässt er sein gnädiges Angesicht sehen? Wen empfängt Christus mit offenen Armen? Wen heilt er, tröstet er, macht er selig?

Antwort: Diejenigen, welche durch das Gesetz geplagt und gemartet sind.

Das Gesetz wird damit als Vorbereiter auf die Gnade Christi aufgefasst, nicht nur einmalig bei der Bekehrung, sondern als ständig wiederkehrender Teil im Gesetz-Evangeliumszyklus (10). Auf die Frage wieviel Knüppeln mit dem Gesetz denn angebracht ist, antwortet Luther mit… genug, also nicht zu viel und nicht zu wenig.

Doch diese Fragen bleiben: Wieviel ist denn “genug“? Und wer bestimmt das? Und wie sicher kann man sein dass dieses “genug“ wirklich ausreicht? Steht das Knüppeln von Christen mit dem Gesetz nicht in direktem Widerspruch zum Sühnetod des Herrn, zur Genugtuung die er am Kreuz geleistet hat und zu seinen Worten “Es ist vollbracht“?

“Aber hier kostet es Arbeit und Mühe, dass ein so vom Gesetze erschreckter und zerschlagener Mensch sich wiederum aufrichten und sagen könne: Nun bin ich genugsam zermalmt und geplagt, die Zeit des Gesetzes hat mich elend genug gemacht und betrübt. Nun ist es Zeit für die Gnade, und Christum zu hören, aus dessen Munde die Predigten der Gnade fliessen.“

W 2 Band IX, Gal. 5, 19  c. 417 § 466

“Der Glaube gibt mir hier eine himmlische Predigt, welche ist das Evangelium, auf dass das Gesetz den betrübten und zerschlagenen Herzen nicht mehr anhaben könne noch solle; es hat genug gemartert und gestöckt. Darum sollst du nun dem Evangelio, welches uns Gottes Gnade und Barmherzigkeit anbeut und schenkt, Raum geben.“

Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532)  W 2 Band IX,  c. 809  § 21

Im Kern geht es, glaube ich, um die menschlichen Grundverlangen nach gnädiger Zuwendung und liebender, respektvoller Intimität. Um hier wirkliche Freiheit zu erfahren, ist es entscheidend, eine gesunde und befriedigende Antwort auf diese Verlangen zu finden.

Eigentlich ist Luthers Einschränkung des Amt des Gesetzes auf den alten Menschen rein theoretisch. Ist es möglich das Gesetz so zu predigen dass es allein dem alten Menschen gelte? Man predigt doch immer für die ganze Person. Wenn jemand Luthers Lehre in der Predigt wirklich anwenden wollte, müsste er zugleich Gesetz und Gnade predigen, und dabei das Gesetz auf den alten Menschen, und die Gnade auf den neuen Menschen beschränken. Weil das unmöglich ist, sieht es in der Praxis dann so aus, dass sowohl der Predigt des Gesetzes, als der Predigt des Evangeliums, eine spezifische Zeit in der Gesamtverkündigung eingeräumt wird, was Walther in “Gesetz und Evangelium“ auf seine Weise, aber doch luthergetreu, systematisiert hat (11).

Mit der Lehre dass die Christen nach dem Fleisch unter dem Gesetz seien hat Luther die klare Grenze verwischt, die Paulus in seinen Briefen für den Herrschaftsbereich des Gesetzes angegeben hat: ausserhalb Christus, das Gesetz (Röm. 3, 19), innerhalb Christus, die Gnade (Röm. 6, 14 ; Röm. 7, 4). Wenn man Luther bis zu Ende anhört, ist für ihn Christus das Ende des Gesetzes (Röm. 10, 4) nicht ein für allemal bei der Eingliederung in Christus durch Glaube und Taufe, und zwar für die ganze Person des Christen, sondern allein was das Gewissen oder der neue Mensch des Christen anbelangt, und insofern als die Zeit der Gnade oder das Evangelium die Zeit des Gesetzes im Gesetz-Evangeliumszyklus ablöst (12).

Dieser Verwischung der Grenze zwischen dem Herrschaftsbereich des Gesetzes und dem der Gnade, entsprechen die Verdrängung der Freiheitsaussage durch die Aussage einer Teilfreiheit (frei vom Gesetz / frei vom Gesetz nach dem Gewissen oder nach dem neuen Menschen), die oben angeführte zeitliche Verschiebung aus der Vergangenheit in das Präsenz (das Gesetz ist unser Zuchtmeister auf Christum gewesen / das Gesetz ist unser Zuchtmeister auf Christum, wir waren Kinder des Zorns von Natur / wir sind Kinder des Zorns von Natur) und die Verwischung, in der Ansprache an die Zuhörer, der Grenze zwischen denen die in Christus und denen die ausserhalb Christus sind, durch Benutzung von Sammelbegriffen wie “Mensch“ oder “Sünder“ (13). Wie immer man die Christen nennt, die Bezeichnung müsste doch der Realität der Wiedergeburt und des neuen Menschen Rechnung tragen, oder ihr wenigstens nicht im Weg stehen, was beim “totus peccator“ im lutherischen “totus justus – totus peccator“ nicht der Fall ist.

Das klare Schema “vor Christus-nach Christus (14), vor dem Glauben/Taufe-nach dem Glauben/Taufe, ausserhalb Christus-innerhalb Christus, unter dem Gesetz-unter der Gnade“ bei Paulus, hat Luther somit in ein Zyklus umfunktionniert, in dem sowohl dem Gesetz als dem Evangelium, eine spezifische Zeit eingeräumt und der ganzen Zuhörerschaft als ihr geltend verkündigt wird. Wobei das Evangelium immer das letzte Wort haben soll, aber eben in dieser Sonntag für Sonntag zu wiederholenden Sequenz.

Den zweiten Teil der Antwort möchte ich an einem späteren Zeitpunkt schicken, hoffentlich noch vor Jahresende.

 

Mit freundlichen Grüssen,

 

Christian

 

 

(1) “Doch auf die Gegenüberstellung von Evangelium und Gesetz wirkte sich die Endgültigkeit der mit dem Kommen Christi nach Paulus eingetretenen Wende in Luthers Theologie nicht voll aus, weil Luther den Lebensvollzug des Christen im Fleisch anders als Paulus als ein noch dem Gesetz unterworfenes Leben auffasste. Paulus sagt gerade nicht, dass das Leben des Christen “im Fleische” noch unter dem Gesetz stehe, sondern dass der Glaubende sein irdisches Leben schon durch den Geist bestimmt sein lassen soll (Gal 5,18; Röm 8,4ff.) und dabei nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade lebt (Röm 6,12-14).“

Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie Band 3, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1993, S. 102

Notiz: Wolfhart Pannenberg (1928 – 2014) ist einer der bedeutendsten lutherischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Er lehrte systematische Theologie von 1958 bis 1961 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, von 1961 bis 1967 an der Theologischen Fakultät der Universität Mainz, und von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Er spielte eine wichtige Rolle im oekumenischen Dialog mit der katholischen Kirche.

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(2) In seinem katechetischen Werk “Kurze Auslegung der Lehrstücke des Katechismus“ spricht Schwan diesen Punkt an. Frage 12 lautet: “Wen meint Gott allemal, wenn er in den zehn Geboten sagt: “Du sollst“ ? Antwort: Mich und jeden andern Menschen.“

Heinrich Christian Schwan, Kurze Auslegung der Lehrstücke des Katechismus, 1896

Schwan zitiert keine Schriftstelle zu dieser Frage.

Notiz: Pastor Heinrich Christian Schwan war Präses der Lutherischen Kirche – Missouri Synode von 1878 bis 1899 (damals Deutsche Evangelisch-Lutherische Synode von Missouri, Ohio und anderen Staaten genannt). Das zitierte Werk war der offizielle Katechismus der Missouri Synode bis zu Beginn der 40er Jahre. Er wurde bereits 1897 ins Englische übersetzt, und die Synode nahm ihn 1898 offiziell an.

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(3)Die christliche Gerechtigkeit gehört für den neuen Menschen, aber die Gerechtigkeit des Gesetzes für den alten Menschen, der aus Fleisch und Blut geboren ist. Diesem muss gleichwie einem Esel eine Last aufgelegt werden, die ihn drücke, und er soll der Freiheit des Geistes oder der Gnade nicht geniessen, es sei denn, er habe zuvor den neuen Menschen angezogen durch den Glauben an Christum (was aber in diesem Leben nicht vollkömmlich geschieht): dann mag er des Reiches und der Gabe der unausprechlichen Gnade geniessen.“

W 2 Band IX,  c. 21 § 13

“Darum soll ein Gewissen, welches erschreckt ist durch das Fühlen seiner Sünde, so denken: Nun hast du auf der Erde zu schaffen, da soll der Esel arbeiten, dienen und die Last tragen, die ihm aufgelegt ist, das heisst, der Leib mit seinen Gliedern soll dem Gesetze unterworfen sein. Wenn du aber zum Himmel aufsteigst, dann lasse den Esel mit seiner Bürde auf der Erde. Denn das Gewissen hat nichts zu schaffen mit dem Gesetze, mit Werken und mit irdischer Gerechtigkeit. So bleibt der Esel im Thale, das Gewissen aber steigt mit Isaak auf den Berg und weiss durchaus nichts von dem Gesetz und von Werken, sondern hat nur Vergebung der Sünden im Auge, und nichts als die Gerechtigkeit, die uns in Christo vorgehalten und geschenkt worden ist.“

W 2 Band IX, Gal. 2, 14  c. 160 § 138

“Darum müssen wir, wenn Christus gekommen ist, schlechterdings nichts vom Gesetze wissen, ausgenommen, sofern es seine Herrschaft über das Fleisch haben soll, welches es im Zaume hält und bedrückt.“

W 2 Band IX, Gal. 4, 3  c. 482 § 26

“Die Knechte mit dem Esel sollen im Thale bleiben, allein Isaak soll mit seinem Vater Abraham auf den Berg steigen, das heisst, es soll zwar das Gesetz über den Leib und den alten Menschen herrschen, der soll unter dem Gesetze sein, und sich eine Bürde auflegen lassen, er soll sich plagen und peinigen lassen; dem soll das Gesetz vorschreiben, was er thun, was er leiden und wie er unter den Menschen wandeln solle, aber das Brautbett, in welchem Christus allein ruhen und schlafen soll, soll es nicht beflecken, das heisst, es soll das Gewissen nicht beunruhigen. Denn das Gewissen soll allein mit Christo, seinem Bräutigam, im Reich der Freiheit und der Kindschaft leben.“

W 2 Band IX, Gal. 4, 7  c. 514 § 117

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(4)Wiederum, wer das Gesetz und die Werke dem alten Menschen, die Verheissung aber und die Gnade dem neuen Menschen vorlegt, der theilt recht. Denn das Fleisch oder der alte Mensch, Gesetz und Werke müssen mit einander verbunden werden, so auch der Geist oder der neue Mensch mit der Verheissung und Gnade….

Wie ist er nicht unter dem Gesetze? Nach dem neuen Menschen, den das Gesetz nichts angeht.“

W 2 Band IX,  c. 21 § 12 (s. auch c. 26 § 24)

“Paulus aber sagt etwas ganz Verschiedenes, nämlich, dass wir Gotte nicht leben können, wenn wir nicht dem Gesetz gestorben sind. Deshalb müssen wir uns zu dieser himmlischen Höhe erheben, dass wir gewiss dafürhalten, dass wir weit über dem Gesetze, ja, dem Gesetze völlig abgestorben seien. Wenn wir aber dem Gesetze gestorben sind, dann hat das Gesetz kein Recht an uns, wie es auch nicht das geringste Recht hat an Christo, der uns von demselben erlöst hat, damit wir durch ihn Gotte leben möchten. Dies alles hat darauf sein Absehen, dass wir nicht durch das Gesetz gerechtfertigt werden, sondern allein durch den Glauben an Christum…

Daher ist für einen Christen schlechthin das ganze Gesetz abgethan, mag es nun Ceremonialgesetz sein oder die heiligen zehn Gebote, weil er demselben gestorben ist

… So entsetzt sich auch die Vernunft und menschliche Weisheit und wird zur Närrin, wenn sie hört, dass wir nicht gerechtfertigt werden, wenn wir nicht zuvor dem Gesetze abgestorben sind, denn sie kann dies nicht verstehen. Wir aber wissen, dass wir, wenn wir Christum im Glauben ergreifen, was das Gewissen anbelangt, unter ein neues Gesetz kommen, welches das alte Gesetz, das uns gefangen hielt, verschlingt. Gleichwie jenes Grab, in welchem Christus lag, da er gestorben war, als er auferweckt wurde, sich öffnet und leer gesehen wird, und Christus daraus veschwindet, so stehe ich auch mit Christo auf, wenn ich an ihn glaube, und sterbe meinem Grabe, das ist, dem Gesetze, welches mich gefangen hielt, und es ist das Gesetz nun leer, ich bin aus meinem Gefängniss und Grabe entkommen, das heisst, aus dem Gesetze. Deshalb hat es nun nicht mehr das Recht, mich anzuklagen und zu halten, denn ich bin aufertanden

Die Gerechtigkeit der Gnade oder die Freiheit des Gewissens geht das Fleisch schlechterdings nichts an. Denn das Fleisch soll nicht frei sein, sondern im Grabe bleiben, im Gefängniss, auf dem Sterbelager, es soll dem Gesetze unterworfen sein und durch die Egypter geplagt werden. Das christliche Gewissen aber soll dem Gesetze gestorben sein, das heisst, frei vom Gesetze, und durchaus nichts mit ihm zu schaffen haben. Es ist sehr nöthig, dass man solches wisse, denn es dient dazu, die geängsteten Gewissen zu trösten…

… Dies ist zwar leicht zu sagen, aber wohl dem, der dies wohl verstände im Kampfe des Gewissens, das heisst, der dann, wenn die Sünde auf ihn eindringt, und das Gesetz ihn anklagt und schreckt, sagen könte: Was geht es mich an, das du, Gesetz, mich verklagst, dass du mich überführst, dass ich viele Sünden begangen habe? Ja, ich begehe noch täglich viele Sünden; das geht mich nichts an, ich bin nun taub, ich höre dich nicht, darum erzählst du einem Tauben eine Geschichte, denn ich bin dir gestorben. Wenn du aber durchaus über Sünden disputiren willst, so gehe hin zu meinem Fleisch und meinen Gliedern, meinen Knechten; die unterweise, plage und kreuzige sie. Du sollst mir aber dem Gewissen, dem Herrn und Könige, nicht berschwerlich fallen, denn ich habe nichts mit dir zu schaffen. Denn ich bin dir gestorben und lebe nun  in Christo, wo ich in einem anderen Gesetze bin, nämlich dem der Gnade, welches herrscht über die Sünde und über das Gesetz. Wodurch? Durch den Glauben an Christum, wie Paulus weiter unten anzeigt.“

W 2 Band IX, Gal. 2, 19  c. 212-215 § 280-281+284+286+288

“Darum, wie ich oft einschärfe, muss man diese zwei Stücke, das Gesetz und die Verheissung, aufs sorgfältigste unterscheiden, weil sie nach Zeit, Ort, Personen, und kurz, nach allen Umständen so weit von einander entfernt sind als Himmel und Erde, als Anfang und Ende der Welt. Sie sind zwar einander sehr nahe, weil sie in Einem Menschen oder in Einer Seele verbunden sind, doch müssen sie im Herzen (in affectu) und nach ihrem Amte überaus weit getrennt bleiben, nämlich, wie das Gesetz seine Herrschaft haben soll über das Fleisch, so soll die Verheissung dagegen in lieblicher Weise im Gewissen regieren.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 17  c. 400 § 418

Daraus folgt, dass wir nach dem Gewissen völlig frei sind vom Gesetze. Darum muss der Zuchtmeister nicht in demselben herrschen, das heisst, er muss ihm nicht beschwerlich sein mit seinen Schrecken, Drohungen und Gefangenschaft, und so sehr es dies auch versuchen mag, so lässt sich das Gewissen dadurch nicht beunruhigen, denn es hat Christum, den Gekreuzigten, vor Augen, der alles, womit das Gesetz zu schaffen hat (omnia officia legis), aus dem Gewissen hinweggenommen hat, Col. 2, 14.: „und hat ausgetilgt die Handschrift, so wider uns war, welche durch Satzungen“ etc. Wie nun eine Jungfrau nichts weiss von einem Manne, so muss das Gewissen nicht allein nichts wissen vom Gesetze, sondern für dasselbe sogar gänzlich todt sein, und wiederum das Gesetz für das Gewissen. Dies geschieht nicht durch Werke oder irgend eine Gerechtigkeit des Gesetzes, sondern durch den Glauben, welcher Christus ergreift.

In der That aber klebt dem Fleische dennoch die Sünde an, welche fort und fort das Gewissen anklagt und beunruhigt. So weit also das Fleisch bleibt, so weit bleibt auch das Gesetz ein Zuchtmeister, welcher fort und fort das Gewissen zu schrecken und traurig zu machen pflegt durch Anzeigen der Sünde und Drohen des Todes.

Doch wird es immer wieder aufgerichtet durch tägliches Kommen (adventu) Christi, der, wie er einmal zur bestimmten Zeit in die Welt gekommen ist, um uns von der überaus harten Herrschaft unseres Zuchtmeisters zu erlösen, so täglich geistlicher Weise zu uns kommt, indem er damit zuschaffen hat, dass wir im Glauben und in seiner Erkenntniss wachsen, damit das Gewissen von Tag zu Tage vollkommener Christum ergreife, und von Tag zu Tage mehr und mehr verringert werde das Gesetz des Fleisches und der Sünde, die Furcht des Todes und alle Uebel, welche das Gesetz mit sich bringt. Denn so lange wir im Fleische  leben, welches nicht ohne Sünde ist, kehrt fort und fort das Gesetz wieder und richtet sein Amt aus, in dem einen mehr, in dem andern weniger, jenachdem er schwachen oder starken Glauben hat, doch nicht zum Verderben, sondern zur Seligkeit. Denn dies ist ist es, was das Gesetz in den Heiligen ausrichtet (exercitium), die tägliche Tödtung des Fleisches, der Vernunft und unserer Kräfte und die Erneuerung unseres Gemüthes, Eph. 4,23.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 461-462 § 596-598

“Mit dieser bildlichen Rede zeigt Paulus auf das klarste den Unterschied zwischen dem Gesetz und dem Evangelio; erstlich indem er die Hagar das alte Testament nennt, Sara aber das neue; zum andern, indem er die eine die Magd, die andere die Freie nennt…

… Wie aber das Volk der Gnade kein Gesetz hat noch haben kann, so hat das Volk des Gesetzes nicht die Gnade, kann sie auch nicht haben.

Denn es ist unmöglich, dass das Gesetz und die Gnade zugleich bestehen können. Wir müssen also entweder durch die Gnade gerechtfertigt werden und die Gerechtigkeit des Gesetzes fahren lassen, oder durch das Gesetz und müssen die Gnade und die Gerechtigkeit des Glaubens fahren lassen. Es ist aber ein schändlicher und unseliger Verlust, wenn wir die Gnade verlieren und das Gesetz behalten, dagegen ein seliger und heilsamer Verlust, wenn wir das Gesetz verlieren und die Gnade behalten.

Wirt wenden alle mögliche Mühe an (weil wir sehen, dass Paulus dies mit dem höchsten Fleisse gethan hat), dass wir den Unterschied des Gesetzes und des Evangelii klar anzeigen mögen. Derselbe ist sehr leicht, soviel die Worte betrifft. Denn wer sieht nicht, dass Hagar nicht Sara sei, und dass Sara nicht Hagar sei? Desgleichen, dass Ismael nicht das sei oder habe, was Isaak ist oder hat? Das kann man leicht unterscheiden. Aber in ernstlichem Schrecken und im Todeskampfe, wo das Gewissen mit dem Gericht Gottes zu ringen hat, dass man mit fester Zuversicht sagen könne: Ich bin nicht ein Kind der Hagar, sondern der Sara, das heisst, das Gesetz geht mich nichts an, weil Sara meine Mutter ist, welche nicht Knechte, sondern Freie und Erben gebiert, das ist das Allerschwerste…

… Ich habe oben öfters gesagt und wiederhole es jetzt aufs neue (denn dies kann nicht genugsam eingeschärft werden), dass ein Christ, der im Glauben die Wohlthat Christi ergreift, durchaus kein Gesetz hat, sondern dass ihm das ganze Gesetz abgethan sei, mit seinen Schrecken und Plagen

… Du aber, wenn du von dem Abthun des Gesetzes reden willst, so handele vornehmlich von dem eigentlich so genannten und geistlichen Gesetze und begreife darunter das ganze Gesetz auf einmal und mache keinen Unterschied zwischen dem gerichtlichen, dem Ceremonial- und dem Sittengesetze. Denn da Paulus sagt, dass wir durch Christum von dem Fluche des Gesetzes befreit seien, redet er sicherlich von dem ganzen Gesetze und vornehmlich vom Sittengesetze, welches auch nur allein anklagt, verflucht und die Gewissen verdammt; das thun die beiden andern Arten des Gesetzes nicht gleicherweise.

Darum sagen wir, dass das Gesetz der zehn Gebote kein Recht habe das Gewissen anzuklagen und zu erschrecken, in welchem Christus durch die Gnade regiert, weil Christus jenes Recht zu einem veralteten gemacht hat (antiquavit), nicht als ob das Gewissen die Schrecken des Gesetzes überall nicht fühlte, denn gewiss fühlt es dieselben, sondern dass es durch dieselben nicht mehr verdammt werden und in Verzweiflung gestürzt werden kann, denn, Röm. 8, 1., „nun ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind“, desgleichen: „So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei“, Joh. 8, 36. So sehr daher auch ein Christ durch das Gesetz, welches die Sünde anzeigt, in Schrecken gesetzt wird, so verzweifelt er darum dennoch nicht, weil er an Christum glaubt, auf den er getauft ist und, gereinigt durch sein Blut, Vergebung der Sünden hat. Da uns nun die Sünde durch Christum selbst, den Herrn des Gesetzes, vergeben ist (doch so vergeben, dass er sich selbst dafür hingegeben hat), so hat das Gesetz, die Magd, nicht mehr das Recht, uns wegen der Sünde anzuklagen und zu verdammen wegen der Sünde, da sie uns vergeben ist, und wir nun frei geworden sind, da uns der Sohn frei macht. Daher ist für die, welche an Christum glauben, das ganze Gesetz abgethan.“

W 2 Band IX, Gal. 4, 27  c. 580-583 § 300-303+306+310-311 (s. auch Gal. 4, 7  c. 513-514 § 115-116 und Gal. 4, 9  c. 536-537 § 182)

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(5) “Denn so lange wir im Fleische leben, welches nicht ohne Sünde ist, kehrt fort und fort das Gesetz wieder und richtet sein Amt aus, in dem einen mehr, in dem andern weniger, jenachdem er schwachen oder starken Glauben hat, doch nicht zum Verderben, sondern zur Seligkeit. Denn dies ist es, was das Gesetz in den Heiligen ausrichtet (exercitium), die tägliche Tödtung des Fleisches, der Vernunft und unserer Kräfte und die Erneuerung unseres Gemüthes, Eph. 4, 23.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 462 § 598

“Das heisst, wenn ich Christum ansehe, so bin ich ganz heilig und rein, weiss gar nichts vom Gesetze, denn Christus ist mein Sauerteig. Wenn ich aber mein Fleisch ansehe, so fühle ich Geiz, Unkeuschheit, Zorn, Hochmuth, etc. Furcht vor dem Tode, Traurigkeit, Schrecken, Hass, Murren und Ungeduld wider Gott. Sofern diese da sind, sofern ist Christus nicht da, oder wenn er da ist, so ist er nur schwach da. Hier ist noch ein Zuchtmeister nöthig, der den starken Esel, das Fleisch, übe und plage, damit durch diese Zucht die Sünden vermindert werden, und Christo der Weg bereitet wird.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 462 § 599

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(6) “Deshalb ist es unmöglich, dass wir das Gesetz auf diese Weise, wie sie sich träumen lassen, erfüllen sollten, viel weniger, dass wir durch dasselbe gerecht werden. Dies bezeugt erstlich das Gesetz selbst, welches die völlig entgegengesetzte Wirkung hat. Denn es vermehrt die Sünde, richtet Zorn an, verklagt, schreckt und verdammt; wie sollte es also gerecht machen?“

W 2 Band IX, Gal. 3, 10  c. 336 § 231

“Darum verursacht das Gesetz, dass man Gott auf höchste hasse, und das heisst nicht allein, dass man durch das Gesetz die Sünde sehe und erkenne, sondern auch, dass durch dies Kundthun [der Sünde] die Sünde vermehrt, angefacht (inflari), entzündet und gross gemacht wird. Daher sagt Paulus Röm. 7, 13.: „Die Sünde, auf dass sie erschiene, wie sie Sünde ist, hat sie mir durch das Gute den Tod gewirkt, auf dass die Sünde würde überaus sündig durchs Gebot.“ Dort handelt er sehr weitläufig über diese Wirkung des Gesetzes.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 416 § 463

“Es ist also bei einem Christen beides, die Zeit des Gesetzes und die Zeit der Gnade, im Herzen. Die Zeit des Gesetzes ist, wenn das Gesetz mich treibt, plagt, traurig macht und zur Erkenntniss der Sünde bringt und dieselbe mehrt. Dann ist das Gesetz in seinem rechten Brauche, den ein Christ fort und fort fühlt, so lange er lebt.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 451 § 562 (s. auch Gal. 4, 7 c. 513 § 113 und Gal. 4, 8-9  c. 519 § 132, c. 536 § 179-180)

“Also hat der Apostel alle beide, Frucht und Nutz des Gesetzes, fein in diesen Worten begriffen. Denn so ich fragte: Wozu ist das Gesetz gut? antwortet er: Es macht wohl nicht fromm, sondern mehret die Sünde und reizt die Natur mit seinem Gebieten und Verbieten;“

Predigt am Neujahrstage über Gal. 3, 23-29 W 2 Band XII,  c. 254 § 23 (s. auch c. 257-258 § 31-32)

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(7) “Wie dieser Brauch des Gesetzes der eigentliche und hauptsächlichste ist, so ist er auch sehr nützlich und überaus nothwendig. Denn wenn jemand nicht ein Mörder, ein Ehebrecher, ein Dieb ist, und sich äusserlich von Sünden rein hält, wie jener Pharisäer [Luc. 18,11.], der würde schwören (weil er vom Teufel besessen ist), dass er gerecht sei; darum fasst er den Wahn der [eigenen] Gerechtigkeit und ist vermessen auf seine guten Werke und Verdienste. Einen solchen Menschen kann Gott durch keine andere Kunst weich machen und demüthigen, dass er sein Elend und seine Verdammniss erkenne, als durch das Gesetz. Denn dieses ist der Hammer des Todes, der Donner der Hölle und der Blitz des göttlichen Zornes, der die verstockten und unvernünftigen Heuchler zerschmeisst.

Deshalb ist der eigentliche und rechte Brauch des Gesetzes, dass es (wie auf dem Berge Sinai) durch Blitz, Donner und Posaunenton erschrecke, durch einen Donnerschlag diese Bestie, die da heisst der Wahn der [eigenen] Gerechtigkeit, niederwerfe und zermalme. Daher sagt Gott durch den Propheten Jeremias [Cap. 23,29.]: “Mein Wort ist ein Hammer, der Felsen zerschmeisst.“ Denn so lange der Wahn von der eigenen Gerechtigkeit im Menschen bleibt, bleibt auch ein unermesslicher Stolz, Vermessenheit, Sicherheit, Hass gegen Gott, Verachtung der Gnade und Barmherzigkeit, Unwissenheit in Bezug auf die Verheissungen und auf Christus. Es kommt nicht in das Herz, es schmeckt auch nicht die Predigt von der Vergebung der Sünden umsonst um Christi willen, weil ein ungeheurer Fels und eine diamantene Mauer, nämlich der Wahn der eigenen Gerechtigkeit entgegensteht, von dem das Herz umringt ist.

Wie also der Wahn der eigenen Gerechtigkeit ein grosses und erschreckliches Ungeheuer, eine aufrührische, eigensinnige und überaus hartnäckige Bestie ist, so bedarf Gott, um sie abzuthun und zu zermalmen, eines ungeheuren und starken Hammers, nämlich des Gesetzes. Dieses ist dann in seinem eigentlichen Amt und Brauch, wenn es so verklagt und die Sünde anzeigt: Siehe, du hast alle Gebote Gottes übertreten, und so dem Gewissen einen Schrecken einjagt, dass es in Wahrheit fühlt, dass Gott beleidigt und erzürnt sei, und dass es des ewigen Todes schuldig sei. Dann empfindet das Herz die unerträgliche Last des Gesetzes und wird zermalmt bis zur Verzweiflung, so dass es sich vor allzugrosser Angst den Tod wünscht, oder sich selbst ums Leben zu bringen gedenkt.

Darum ist das Gesetz der Hammer, das Feuer, der Wind und das grosse gewaltige Erdbeben, welches Felsen zerschmeisst und Berge umstürtzt, das heisst, die verstockten und hochmüthigen Heuchler. Diese Schrecken des Gesetzes welche durch diese Dinge bedeutet werden, konnte der Prophet Elias nicht ertragen und verhüllte sein Haupt mit seinem Mantel, 1 Kön. 19,11-13. Da aber dieser Sturm aufhörte, den er mit ansah, kam ein stilles sanftes Sausen, in welchem der Herr war. Aber es musste das Ungewitter mit Feuer, Sturmwind und Erdbeben vorhergehen, ehe der Herr selbst in dem stillen sanften Sausen folgte.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 410-412 § 449-452

“So geht es endlich allen Werkheiligen, welche, trunken im Wahn der eigenen Gerechtigkeit, wenn sie ohne Anfechtung sind, meinen, dass sie von Gott gar sehr geliebt werden, dass Gott ihre Gelübde, Fasten, Gebetlein und selbsterwählten Werke ansehe, für welche er ihnen im Himmel eine sonderliche Krone geben werde. Wenn aber unversehens Donner, Blitz, Feuer und jener Hammer kommt, der die Felsen zerschmeisst, das heisst, wenn das Gesetz Gottes die Sünde offenbart, den Zorn und das Gericht Gottes zeigt, dann widerfährt ihnen ganz dasselbe als den Juden, die am Fusse des Berges Sinai standen.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 413 § 455

Darum muss Gott diesen Hammer, nämlich das Gesetz, anwenden, welcher diese Bestie mit ihrem nichtigen Vertrauen, Weisheit, Gerechtigkeit, Macht, etc. zerbreche, zerschlage, zermalme und ganz und gar zu Nichts mache, damit sie endlich durch ihr Unglück lerne, dass sie verloren und verdammt sei. Und da, wenn das Gewissen durch das Gesetz so erschreckt ist, hat die Lehre des Evangelii und der Gnade eine Statt, welche wieder aufrichtet und tröstet, indem sie spricht, dass Christus in die Welt gekommen sei, nicht um das zerstossene Rohr zu zerbrechen, nicht um das glimmende Tocht auszulöschen [Jes. 42, 3.], sondern um den Armen das Evangelium zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung etc. [Jes. 61, 1.]“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 417 § 465

Im Kommentar vergleicht Luther an neun Stellen das Gesetz mit einem Hammer. Die nicht in dieser Fussnote zitierten Stellen sind: Gal. 3, 19  c.

416 § 464 (zitiert nach (9) im Körper des Briefes), Gal. 3, 19  c. 418 § 468-469 (zitiert in Fussnote 9) und Gal. 3, 23  c. 444-445 § 544 (zitiert in Fussnote 13).

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(8) “So sind auch wir, die wir durch den Glauben gerechtfertigt sind wie die Patriarchen, Propheten und alle Heiligen, nicht Leute, “die mit des Gesetzes Werken umgehen“, soviel die Rechtfertigung anbetrifft. Sofern wir aber im Fleische sind und die Überbleibsel der Sünde noch an uns haben, sind wir unter dem Gesetze (doch nicht unter dem Fluch, weil uns um Christi willen, an den wir glauben, das, was von der Sünde noch übrig ist, nicht zugerechnet wird). Denn das Fleisch ist dem Gesetze Gottes feind, und die in uns noch übrige böse Lust erfüllt nicht allein das Gesetz nicht, sondern sündigt auch wider dasselbe, ja, streitet auch wider uns und nimmt uns gefangen und macht uns zu Knechten, Röm. 7, 23.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 12  c. 366-367 § 315

“Deshalb, wenn wir Christum, der das Gesetz abgethan hat und durch seinen Tod uns Sünder mit dem Vater versöhnt, vollkommen ergreifen könnten, so hätte dieser Zuchtmeister durchaus kein Recht an uns. Aber das Gesetz in unseren Gliedern widerstreitet dem Gesetz in unserem Gemüthe, so dass wir Christum nicht vollkommen ergreifen können. Der Mangel ist daher nicht bei Christo, sondern bei uns, die wir das Fleisch noch nicht ausgezogen haben, welchem die Sünden anhängt, so lange wir leben. So sind wir, was uns betrifft, zum Theil frei vom Gesetz, zum Theil unter dem Gesetze. Wir dienen, mit Paulus, mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde, Röm. 7, 25.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 25  c. 461 § 595

“Dies, sagt er, soll euch nicht bewegen, sondern trachtet nur darnach, dass ihr vom Geiste geleitet werdet, das heisst, dass ihr diesen Willen festhaltet, der wider das Fleisch sich legt und seine Lüste nicht vollbringt (denn dies heisst vom Geist regiert oder gezogen werden), dann seid ihr nicht unter dem Gesetz. So redet Paulus von sich selbst Röm. 7, 25.: “Ich diene mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes“, das heisst, nach dem Geist bin ich keiner Sünde unterworfen, “aber mit dem Fleisch diene ich dem Gesetz der Sünde.“ Darum sind die Gottseligen nicht unter dem Gesetze, nämlich nach dem Geist, denn das Gesetz kann sie nicht anklagen und das Todesurtheil wider sie fällen, obgleich sie selbst die Sünde fühlen und bekennen, dass sie Sünder seien, weil dem Gesetz durch Christum sein Recht genommen ist, der unter das Gesetz gethan ist, auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete.Darum kann das Gesetz das, was in Wahrheit Sünde wider das Gesetz ist, an den Gottseligen nicht als Sünde verklagen.“

W 2 Band IX, Gal. 5, 18  c. 693-694 § 238

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(9)Darum, nachdem dich das Gesetz gedemüthigt, erschreckt und völlig zermalmt hat, dass du nun der Verzweiflung überaus nahe bist, so siehe zu, dass du des Gesetzes recht wissest zu gebrauchen, weil sein Amt und Brauch ist, nicht allein, dass es die Sünde und den Zorn Gottes anzeige, sondern auch, dass es zu Christo treibe. Diesen Brauch des Gesetzes zeigt allein der Heilige Geist im Evangelio an, wo er bezeugt, dass Gott bei denen sei, die zerschlagenen Herzens sind etc. Darum, wenn du mit diesem Hammer zerschlagen bist, so gebrauche diese Zerschlagenheit ja nicht in verkehrter Weise, dass du dich mit mehr Gesetzen beladest, sondern höre Christum, der da spricht [Matth.11, 28]: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Wenn das Gesetz dich so drängt, da alle deine Sachen verzweifelt stehen, Hülfe und Trost bei Christo zu suchen, dann ist es in seinem rechten Brauche und dient durch das Evangelium zur Erlangung der Gerechtigkeit; und dies ist der beste und vollkommenste Brauch des Gesetzes.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 418 § 468-469

Denn wenn es (das Gesetz) sein Werk recht und vollkommen ausrichtet und seinen Zweck erreicht, so demüthigt es den Menschen und bereitet ihn vor (wenn er das Gesetz nur recht gebraucht), dass er nach der Gnade herzlich Verlangen trägt und dieselbe sucht. Denn erst dann, wenn dem Menschen durch das Gesetz seine Sünde angezeigt und gemehrt wird, sieht er in Wahrheit die Gottlosigkeit und Feindschaft des menschlichen Herzens gegen das Gesetz und Gott, den Urheber des Gesetzes. Dann fühlt er ernstlich, dass er den überaus guten Gott mit seinem ganz heiligen Gesetze nicht allein nicht liebe, sondern auch hasse und lästere. Hier muss er gestehen, dass in ihm durchaus  nichts Gutes sei, und wenn er so zerschlagen und gedemüthigt worden ist durch das Gesetz, erkennt er, dass er in Wahrheit elend und verdammt sei

Denn dem schmeckt das Süsse nicht wohl, der nicht Bitteres gekostet hat. Hunger ist der beste Koch (= die logische Begründung des Giesskannenprinzips Note von C.). Gleichwie nun ein dürres Land nach Regen dürstet, so macht das Gesetz die erschreckten Herzen dürsten nach Christo. Diesen schmeckt Christus aufs allerlieblichste, da ist Freude, Trost und Leben. Erst dann wird Christus und seine Wohlthat recht erkannt. Dieser Brauch des Gesetzes ist also sehr gut, nämlich, dass man dasselbe so weit gebrauchen kann, als es demüthigt und dürsten macht nach Christo.

W 2 Band IX, Gal. 3, 21  c. 435-436 § 517-519 (s. auch c. 439 § 527)

“Auf diese Weise ist das Gesetz gleichsam ein Treiber, der die Hungrigen zu Christo treibt, dass er sie mit seinen Gütern fülle. Darum ist das eigentliche Amt des Gesetzes, dass es uns schuldig mache, demüthige, tödte, in die Hölle führe und uns alles nehme, aber mit der Absicht, damit wir gerecht, erhöht, lebendig werden, zum Himmel geführt werden und alles erlangen. Darum tödtet es nicht bloss, sondern tödtet zum Leben.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 456 § 579

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(10) “So führt uns das Evangelium ausser und über das Licht des Gesetzes und der Vernunft in das Dunkel des Glaubens, wo Gesetz und Vernunft nichts zu schaffen haben. Es muss auch das Gesetz gehört werden, aber an seinem Orte und zu seiner Zeit. Da Moses auf dem Berge ist, wo er von Angesicht zu Angesicht mit Gott redet, hat er das Gesetz nicht, gibt und verwaltet es nicht; nachdem er aber vom Berge herniedergestiegen war, ist er ein Gesetzgeber und regiert das Volk mit dem Gesetze. So soll das Gewissen frei sein vom Gesetze, der Leib aber soll dem Gesetze gehorchen.“

W 2 Band IX, Gal. 2, 13  c. 157-158 § 130

“Sodann, wiewohl das Gesetz die Sünde offenbart und mehrt, so ist es doch nicht wider die Verheissungen Gottes, ja, es ist vielmehr für sie. Denn wenn es sein Werk recht und vollkommen ausrichtet und seinen Zweck erreicht, so demüthigt es den Menschen und bereitet ihn vor (wenn er das Gesetz nur recht gebraucht), dass er nach der Gnade herzlich Verlangen trägt und dieselbe sucht. Denn erst dann, wenn dem Menschen durch das Gesetz seine Sünde angezeigt und gemehrt wird, sieht er in Wahrheit die Gottlosigkeit und Feindschaft des menschlichen Herzens gegen das Gesetz und Gott, den Urheber des Gesetzes. Dann fühlt er ernstlich, dass er den überaus guten Gott mit seinem ganz heiligen Gesetze nicht allein nicht liebe, sondern auch hasse und lästere. Hier muss er gestehen, dass in ihm durchaus nichts Gutes sei, und wenn er so zerschlagen und gedemüthigt worden ist durch das Gesetz, erkennt er, dass er in Wahrheit elend und verdammt sei. Also wenn das Gesetz ihn zwingt, in solcher Weise seine Bosheit anzuerkennen und von Herzen seine Sünde zu bekennen, so hat es sein Amt ausgerichtet und seine Zeit ist aus, die Zeit der Gnade ist da, so dass der gesegnete Same kommen kann, dass er den vom Gesetze erschreckten und zerschlagenen Menschen wiederum aufrichte und tröste mit dem Evangelio.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 21  c. 435-436 § 517

Verschlossen auf den Glauben, der da sollte offenbar werden.

Dies redet Paulus von der Zeit der Erfüllung, da Christus kam. Du aber wende dies nicht allein auf jene Zeit an, sondern auch auf dein Herz; denn das, was historisch und zu der Zeit geschehen ist, da Christus kam, das Gesetz abschaffte und die Freiheit und das ewige Leben ans Licht brachte, das geschieht insonderheit (privatim) täglich in geistlicher Weise in einem jeglichen Christen, in welchem fort und fort wechselsweise die Zeit des Gesetzes und die Zeit der Gnade sich findet.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 450 § 560

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(11) In der 1897 bei Concordia Publishing House erschienenen Ausgabe von “Die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium“, gibt der Verleger gleich bei Beginn des Vorworts an, in welchem Verhältnis sich dieses Werk Walthers zu der 1893 erschienenen Ausgabe von “Gesetz und Evangelium“ befindet.

“Vor vier Jahren erschienen in unserm Verlag zehn Abendvorlesungen, welche Dr. Walther im Jahre 1878 vor seinen Studenten gehalten hatte, unter dem Titel: „Gesetz und Evangelium. Von Dr. C. F. W. Walther. Aus seinem schriftlichen Nachlass gesammelt.“ In dem vorliegenden Bande werden dem geneigten Leser neununddreissig Abendvorlesungen Dr. Walthers über die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium an der Hand von fünfundzwanzig Thesen dargeboten. Diese neununddreissig  Vorlesungen sind in den Jahren 1884 und 1885 vom sel. Verfasser gehalten worden, und gehören also mit zu den letzten Arbeiten des gottbegnadeten Lehrers. Sie sind eine Erweiterung und Ergänzung der ersten über diesen Gegenstand gehaltenen Serie.“

Zwischen den zwei Ausgaben besteht also eine Kontinuität, die man schon daran erkennen kann, dass die Thesen der ersten Ausgabe, Wort für Wort, in der späteren Ausgabe übernommen wurden. So findet man auch in der Ausgabe von 1897, den Rat Walthers an die Pastoren, das Gesetz, während der vermeintlichen Zeit des Gesetzes, in seiner ganzen Strenge zu predigen, und im Katechismus, während der Unterweisung über die 10 Gebote, aus den Kindern arme Sünder zu machen. Allerdings erwähnt Walther in dieser Ausgabe auch den Unmut, der in manchen Gemeinden, durch diese Art des Predigens verursacht wurde.

Der Prediger muss das Gesetz so predigen, dass nichts Süsses für uns verlorne, verdammte Sünder darin bleibt.“ S. 74

So oft Sie das Gesetz predigen, so müssen Sie wissen: Das Gesetz lässt nichts nach. Davon weiss das Gesetz nichts; das fordert nur. Das Gesetz sagt: „Du musst das thun! Thust du es nicht, so hilft da keine Geduld, keine Güte, keine Langmuth; du musst zur Hölle fahren.“ S. 74

So hört man auch Leute sagen: “Ach, in die Kirche gehe ich nicht wieder, da wird es einem ja angst und bange. Da gehe ich lieber hin zum Pastor N. N. Da wird es einem so wohl, da sieht man, was für ein guter Mensch man eigentlich ist.“ S. 76

“Da hat uns nun Gott gesagt (Übergabe des Gesetzes an Moses auf dem Berg Sinaï), wie wir das Gesetz predigen sollen. Wir können ja freilich den Donner und Blitz nicht wieder mit anhören, aber geistlich können wir das thun. O wie heilsam ist eine Predigt, wenn man in der Kirche sitzt und der Prediger fängt an mit dem Gesetz in seiner ganzen Schärfe und legt es in seinem geistlichen Sinn aus! Da sitzen dann viele da und denken: „Wenn der Mann recht hat, so bist du verloren!“ Mancher meint freilich: „Ja, so soll ein evangelischer Prediger doch nicht handeln!“ Ja freilich soll er so handeln, sonst ist er kein evangelischer Prediger. Wenn das Gesetz nicht vorhergeht, so hat das Evangelium keine Wirkung. Erst Moses, dann Christus; oder erst Johannes der Täufer, dann Christus! Und nun kommt der Prediger mit leuchtenden Augen auf das Evangelium. Nun freuen sich die Leute und sehen, warum der Prediger das hat vorangehen lassen, damit sie nämlich sehen sollten, wie beschmutzt sie seien mit Sünden. Und so müssen Sie es auch mit der Katechese machen. Mischen Sie ja nichts Evangelisches in die Katechese hinein, wenn Sie vom Gesetz handeln, höchstens am Schluss! Denn den kleinen Kindern muss es auch angst und bange werden, die müssen das auch erfahren. Daher kommt es auch, dass so viele denken, sie sind ganz gute Christen, aber sie sind elende Pharisäer, und die Eltern haben sie dazu gross gezogen, ihre Eltern haben sie nicht zu armen Sündern gemacht.“ S. 76-77

Grundsätzlich, scheint Walther die Menschheit und die im Gottesdienst versammelte Gemeinde in zwei Gruppen einzuteilen: die sicheren Sünder und die armen, erschrockenen Sünder.

“Gesetz und Evangelium sind nun endlich sechstens verschieden in Absicht auf die Personen, denen beides gepredigt werden soll. Es ist also eine Verschiedenheit in den Objecten… Das Gesetz soll den sicheren Sündern gepredigt werden und das Evangelium den erschrockenen Sündern.“ S. 16

“So lange es einem Menschen noch wohl ist in seinen Sünden, so lange er die und die Sünde noch nicht lassen will, so lange soll ihm nur das verfluchende und verdammende Gesetz gepredigt werden. Aber soblad er erschrickt, dann flugs das Evangelium, denn der gehört dann nicht mehr zu den sicheren Sündern. S.16

Solchen armen, traurigen Sündern soll nun wiederum nicht ein Wörtlein des Gesetzes gepredigt werden. Wehe einem solchen Prediger, der einem solchen schmachtenden Sünder noch Gesetz predigt!“ S. 17

Wo bleibt hier Raum für ein auf Wachstum und Frucht ausgerichtetes Christsein, wie man es in den Briefen des Paulus, ja eigentlich im ganzen Neuen Testament findet?

Die folgenden Schriftstellen belegen diese Grundausrichtung des Neuen Testaments, und sind am Ende dieser Fussnote ausgeschrieben.

Matth 21,33-34; Mark 4,20; Luk 19,16-17; Joh 15,1-2; Apg 9,36Röm 14,19; 1.Kor 15,58; 2.Kor 8,7; Gal 6,9-10; Eph 2,10; Eph 4,11-16; Phil 1,9-11; Phil 4,17; Kol 1,9-11; 1.Thess 3,12-13; 1.Thess 4,1-2;  2.Thess 3,13; 1.Tim 6,17-19; 2.Tim 2,22 ; Tit 2,11-14; 1.Petr 1,13-162.Petr 1;5-11; 1.Joh 3,16-18; Heb 12,1-2; Jak 1,2-4; Jak 2,15-17Offb 2,2-5; Offb 2,19.

Notiz: Pastor Carl Ferdinand Wilhelm Walther (Langenchursdorf, Königreich Sachsen 1811 – Saint Louis 1887) hat in weitem Masse zur Entstehung der Lutherischen Kirche – Missouri Synode (1847) beigetragen. Er war ihr erster Präses von 1847 bis 1850, mit einer zweiten Amstsperiode als Präses von 1864 bis 1870.

Durch die Ausübung seines Amtes unter sächsischen Einwanderer, insbesondere als Pastor der Trinity Lutheran Church, in Saint Louis, von 1841 bis zu seinem Tod im Jahr 1887,  sein Lehramt als Professor der Theologie von 1850 bis 1857, seine Schriften und sein Einsatz für konfessionelles Luthertum, hat er einen wichtigen Einfluss ausgeübt, nicht nur innerhalb der Missouri Synode, sondern auch bei bekenntnistreuen Lutheranern in Europa, zum Beispiel in Sachsen, über die Evangelisch-Lutherische Freikirche, und im Elsass, wo ein guter Teil der Pastoren der Protestgemeinden, und später der Evangelisch Lutherischen Kirche – Synode von Frankreich und Belgien, in der Missouri Synode ausgebildet wurde (zum Beispiel die Pastoren Strassen, Sengele, Michalk, Muller, Kreiss, Wolff).

 

Matth 21,33-34 “Höret ein anderes Gleichnis: Es war ein Hausvater, der pflanzte einen Weinberg und führte einen Zaun darum und grub eine Kelter darin und baute einen Turm und gab ihn an Weingärtner in Pacht und zog ausser Landes. Da nun herbeikam die Zeit der Früchte, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, dass sie seine Früchte empfingen.” 

Mark 4,20 “Jene aber sind die, bei denen auf gutes Land gesät ist: die hören das Wort und nehmen’s an und bringen Frucht, dreissigfältig und sechzigfältig und hundertfältig.”

Luk 19,16-17 “Da trat herzu der erste und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund erworben. Und er sprach zu ihm: Ei, du frommer Knecht, weil du bist im Geringsten true gewesen, sollst du Macht haben über zehn Städte.”

Joh 15,1-2 “Ich bin der rechte Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. Eine jegliche Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jegliche , die da Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.”

Apg 9,36 “Zu Joppe aber war eine Jüngerin mit Namen Tabea, welches verdolmetscht heist: Reh. Die war voll guter Werke und Almosen, die sie gab.”

Röm 14,19 “Darum lasset uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Auferbauung untereinander.”

1.Kor 15,58 “Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisset, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.”

2.Kor 8,7 “Gleichwie ihr aber in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allem Fleiss und in der Liebe, die wir in euch erweckt haben, so schaffet, dass ihr auch in diesem Liebeswerk reich seid.”

Gal 6,9-10 “Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht ablassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist an des Glaubens Genossen. ”

Eph 2,10 “Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.”

Eph 4,11-16 “Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, dass die Heiligen zugerüstet würden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis dass wir alle hinankommen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur Reife des Mannesalters, zum vollen Mass der Fülle Christi. Auf dass wir nicht mehr unmündig seien und uns bewegen und umhertreiben lassen von jeglichem Wind der Lehre durch Bosheit der Menschen und Täuscherei, womit sie uns beschleichen und uns verführen. Lasset uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hanget durch alle Gelenke, dadurch ein jegliches Glied dem andern kräftig Handreichung tut nach seinem Masse und macht, dass der Leib wächst und sich selbst auferbaut in der Liebe.”

Phil 1,9-11 “Und ich bete darum, dass eure Liebe je mehr und mehr reich werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, dass ihr prüfen möget, was das Beste sei, auf dass ihr seid lauter und unanstössig auf den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus geschaffen wird zu Gottes Ehre und Lob.”

Phil 4,17 “Nicht, dass ich das Geschenk suche; sondern ich suche die Frucht, damit  sie euch reichlich zugerechnet werde.”

Kol 1,9-11 “Darum auch wir von dem Tage an, da wir’s gehört haben, lassen wir nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht, auf dass ihr des Herrn würdig wandelt zu allem Gefallen und Frucht bringt in jeglichem guten Werk und wachset in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut.”

1.Thess 3,12-13 “Euch aber lasse der Herr wachsen und immer völliger werden in der Liebe untereinander und gegen jedermann, wie auch wir sie zu euch haben, dass eure Herzen gestärkt  warden und unsträflich seien in der Heiligkeit vor Gott, unserm Vater, wenn unser Herr Jesus kommt samt allen seinen Heiligen.”

1.Thess 4,1-2 “Weiter, liebe Brüder, bitten wir euch und ermahnen in dem Herrn Jesus – da ihr von uns empfangen habt, wie ihr sollt wandeln und Gott gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer völliger werdet. Denn ihr wisset, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.”

2.Thess 3,13 “Ihr aber, liebe Brüder, lasst’s euch nicht verdriessen, das Gute zu tun.”

1.Tim 6,17-19 “Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu geniessen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen guten Grund legen aufs Zukünftige, auf dass sie ergreifen das wahre Leben.”

2.Tim 2,22 “Fliehe die Lüste der Jugend; jage aber nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden mit allen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.”

Tit 2,11-14 “Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in die Zucht, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des grossen Gottes und unsers Heilandes Christus Jesus, der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das fleissig wäre zu guten Werken.”

1.Petr 1,13-16 “Darum so begürtet die Lenden eures Gemütes, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. Solches tut als gehorsame Kinder und bleibt nicht bei dem, was vormals war, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet; sondern wie der, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel! Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«”

2.Petr 1;5-11 “So wendet allen euren Fleiss daran und beweist in eurem Glauben Tugend und in der Tugend Erkenntnis und in der Erkenntnis Mässigkeit und in der Mässigkeit Geduld und in der Geduld Gottesfurcht und in der Gottesfurcht brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe die Liebe zu allen Menschen. Denn wenn solches reichlich bei euch ist, werdet ihr nicht faul noch unfruchtbar sein in der Erkenntnis unsers Herrn Jesus Christus. Wer aber solches nicht hat, der ist blind und tappt im Dunkeln und hat vergessen, dass er rein geworden ist von seinen vorigen Sünden. Darum, liebe Brüder, tut desto mehr Fleiss, eure Berufung and Erwählung festzumachen. Denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nicht straucheln, und so wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn und Heilandes Jesus Christus.”

1.Joh 3,16-18 “Daran haben wir erkannt die Liebe, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schliesst sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Meine Kindlein, lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.”

Heb 12,1-2 “Darum auch wir, weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns standing umstrickt, und lasset uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, da er wohl hätte können Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht und hat sich gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes.”

Jak 1,2-4 “Meine lieben Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallet, und wisset, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen und ohne Tadel und kein Mangel an euch sei.”

Jak 2,15-17 “Wenn aber ein Bruder oder eine Schwester bloss wäre und Mangel hätte an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Gehet hin in Frieden! Wärmet euch und sättiget euch! ihr gäbet ihnen aber nicht , was dem Leibe not ist: was hülfe ihnen das? So auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot in sich selber. ”

Offb 2,2-5 “Ich weiss deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld und dass du die Bösen nicht ertragen kannst, und hast geprüft die, welche sagen , sie seien Apostel, und sind’s nicht, und hast sie als Lügner erfunden, und hast Geduld, und hast um meines Namens willen Last getragen, und bist nicht müde geworden. Aber ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest. Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Busse und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstossen von seiner Stätte, wenn du nicht Busse tust.”

Offb 2,19 “Ich weiss deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und deine Geduld, und dass deine letzten Werke mehr sind als die ersten.”

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(12) “Paulus aber sagt etwas ganz Verschiedenes, nämlich, dass wir Gotte nicht leben können, wenn wir nicht dem Gesetz gestorben sind. Deshalb müssen wir uns zu dieser himmlischen Höhe erheben, dass wir gewiss dafürhalten, dass wir weit über dem Gesetze, ja, dem Gesetze völlig abgestorben seien. Wenn wir aber dem Gesetze gestorben sind, dann hat das Gesetz kein Recht an uns, wie es auch nicht das geringste Recht hat an Christo, der uns von demselben erlöst hat, damit wir durch ihn Gotte leben möchten. Dies alles hat darauf sein Absehen, dass wir nicht durch das Gesetz gerechtfertigt werden, sondern allein durch den Glauben an Christum…

Die Gerechtigkeit der Gnade oder die Freiheit des Gewissens geht das Fleisch schlechterdings nichts an. Denn das Fleisch soll nicht frei sein, sondern im Grabe bleiben, im Gefängnis, auf dem Sterbelager, es soll dem Gesetze unterworfen sein und durch die Egypter geplagt werden. Das christliche Gewissen aber soll dem Gesetze gestorben sein, das heisst, frei vom Gesetze, und durchaus nichts mit ihm zu schaffen haben. Es ist sehr nöthig, dass man solches wisse, denn es dient dazu, die geängsteten Gewissen zu trösten.“

W 2 Band IX, Gal. 2, 19  c. 212+214 § 280+286

“Du siehst also, dass da kein Leben sein kann, wenn du nicht ohne Gesetz bist, ja, wenn du nicht dem Gesetze völlig abgestorben bist, nämlich im Gewissen. Doch inzwischen, so lange der Leib lebt, muss, wie ich schon oft erinnert habe, das Fleisch durch Gesetze geübt werden und durch das Treiben und die Strafen der Gesetze geplagt werden. Aber der inwendige Mensch, welcher dem Gesetze nichts schuldig ist, vielmehr frei von demselben ist, ist eine lebendige, gerechte und heilige Person, nicht durch sich selbst oder in seinem Wesen, sondern in Christo, weil er an ihn glaubt…“

W 2 Band IX, Gal. 2, 19  c. 223 § 310

Solches zeigt Paulus an, indem er sagt: „Wir wurden unter dem Gesetz verwahrt, und verschlossen auf den zukünftigen Glauben.“ Darum ist es nicht genug, dass wir unter dem Gesetz verschlossen sind, denn wenn nichts anderes folgte, so müssten wir verzweifeln, in unseren Sünden sterben etc., aber Paulus fügt hinzu, dass wir verschlossen sind und im Zwang gehalten werden unter dem Zuchtmeister (dem Gesetze), nicht in Ewigkeit, sondern auf Christum, welcher des Gesetzes Ende ist

… Wie nun das Verschliessen oder der Kerker bürgerlich eine Plage des Leibes ist, durch welche der Eingeschlossene des Brauches seines Leibes beraubt wird, so ist geistlicher Weise der Kerker die Bekümmerniss und Angst des Herzens, durch welche der Eingeschlossene des Friedens im Gewissen und der Ruhe im Herzen beraubt wird, doch nicht auf ewig, wie die Vernunft urtheilt, sondern auf den zukünftigen Glauben. Darum muss ein Gemüth, welches unter dem Gesetze verschlossen ist, auf diese Weise getröstet werden: Lieber Bruder, du bist zwar verschlossen, aber du sollst wissen, dass dies nicht geschehe, damit du auf ewig in diesem Kerker verschlossen gehalten werdest, denn es steht geschrieben, dass wir auf den zukünftigen Glauben verschlossen werden. Du sollst also durch diesen Kerker nicht zu deinem Verderben geplagt werden, sondern damit durch den Samen, in welchem der Segen gegeben wird, erquickt werdest; du wirst durch das Gesetz getödtet, damit du durch Christum lebendig gemacht werdest.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 447-449 § 551+556

Es ist bei einem Christen beides, die Zeit des Gesetzes und die Zeit der Gnade, im Herzen. Die Zeit des Gesetzes ist, wenn das Gesetz micht treibt, plagt, traurig macht und zur Erkenntniss der Sünde bringt und dieselbe mehrt. Dann ist das Gesetz in seinem rechten Brauche, den ein Christ fort und fort fühlt, so lange er lebt…

Die Zeit der Gnade ist, wenn das Herz durch die Verheissung der Barmherzigkeit Gottes aus Gnaden wiederum aufgerichtet wird und spricht [Ps. 42, 6]: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ Siehst du denn weiter nichts als das Gesetz, Sünde, Schrecken, Traurigkeit, Verzweiflung, Tod, Hölle und Teufel? Ist denn nicht auch die Gnade da, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Trost, Freude, Friede, Leben, Himmel, Christus, Gott? Höre auf, meine Seele, unruhig in mir zu sein. Was ist doch im Vergleich hiezu das Gesetz, die Sünde und alles Uebel? Hoffe auf Gott, der seines eigenen Sohnes nicht verschont hat, sondern ihn für deine Sünden in den Kreuzestod dahingegeben hat.

Das ist denn, unter dem Gesetz verschlossen sein nach dem Fleische, nicht in Ewigkeit, sondern auf den zukünftigen Christus

… So ist also ein Christ zwischen zwei Zeiten getheilt. Sofern er Fleisch ist, ist er unter dem Gesetz, sofern er Geist ist, ist er unter der Gnade…

Darum ist die Zeit des Gesetzes nicht eine ewige, sondern sie hat ein Ende, welches ist Christus, der einmal gestorben ist, stirbt hinfort nicht mehr etc. [Röm. 6, 9] Er ist ewig, also ist auch die Zeit der Gnade ewig.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 451-453 § 562+564+565+567

“Hieher gehört nun, das St Paulus sagt: “Ehe denn der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetze verwahret und verschlossen“ etc. dass ein Christ wisse Unterschied zu machen zwischen dem Gesetze und Evangelio, Werk und Glauben, sonderlich in finali und materiali causa, und dem Gesetz also begegne: Du forderst wohl viel, und steckst in schwere Verdammniss die, so nicht geben können; aber weisst du auch, wie weit dein Regiment gehen soll? hast du vergessen, dass es eine bestimmte Zeit hat, wie St Paulus sagt: Wenn der Glaube kommt, soll es aufhören, nicht weiter fordern, schrecken, noch verdammen?“

Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532) W 2 Band IX,  c. 804-805 § 12

Denn der alte Mensch muss gebunden und unter dem Gesetz gefangen sein, damit es uns innenhält, treibt und fordert von uns, auf dass wir nicht muthwillig leben. Aber solcher Zwang und Gefängnis soll nicht länger währen, bis das Evangelium offenbar und erkannt wird, wie wir an Christum glauben sollen. Alsdann spreche ich: „Gesetz, hebe dich, ich will nicht länger von dir in meinem Herzen gefangen sein, dass ich vertrauen sollte, dass ich dies und das gethan habe, oder verzweifeln, dass ich es nicht gethan habe.“

Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532) W 2 Band IX,  c. 809 § 21

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(13) “Der andere Brauch des Gesetzes ist ein theologischer oder geistlicher, der besteht darin (wie Paulus sagt), dass er die Sünden mehre, das heisst, dem Menschen seine Sünde offenbare, seine Blindheit, sein Elend, seine Gottlosigkeit, seine Unwissenheit in Bezug auf Gott, seinen Hass und seine Verachtung gegen Gott, dass er Tod, Hölle, Gericht und Zorn bei Gott wohl verdient habe. Von diesem Brauch handelt das 7. Kapitel des Briefs an die Römer gar trefflich; er ist aber den Heuchlern und Sophisten gänzlich unbekannt, auch allen Menschen, die in dem Wahn befangen sind, dass sie durch das Gesetz oder durch sich selbst die Gerechtigkeit erlangen können.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 19  c. 410 § 447

“Das Amt des Gesetzes ist also nur, dass es tödte, doch in solcher Weise, dass Gott lebendig machen könne. Darum ist das Gesetz nicht schlechthin zum Tode gegeben, sondern weil der Mensch hochmüthig ist und träumt, er sei klug, gerecht und heilig, darum ist es noth, dass er durch das Gesetz gedemüthigt werde, damit so diese Bestie, der Wahn von eigener Gerechtigkeit getödtet werde; wenn die nicht getödtet ist, kann der Mensch nicht leben…

… doch nicht so, dass der Mensch auf ewig im Tode bliebe, sondern dass sich der Mensch, nachdem der Wahn getödtet ist, wiederum aufrichte, und er über das Gesetz auch diese Stimme hörte: „Fürchte dich nicht!“…

… Denn die Vermessenheit, welche sich gründet auf gute Werke und eigene Gerechtigkeit, lässt nicht zu, dass man Gott fürchte. Wo aber keine Furcht vor Gott ist, da kann auch kein Durst nach der Gnade und dem Leben sein. Darum muss Gott einen starken Hammer haben, um die Felsen zu zerschmettern, und ein Feuer, das bis mitten an den Himmel brennt [5 Mos. 4,11.], um die Berge umzukehren, das heisst, um diese hartnäckige und widerspenstige (obstipam) Bestie, die Vermessenheit, zu Boden zu schlagen, damit der Mensch, durch dieses Zerschmettern zu Nichts geworden, an seinen Kräften, seiner Gerechtigkeit und seinen Werken verzweifele und erschrocken werde vor Gott, und in solchem Erschrecken nach Barmherzigkeit und Vergebung der Sünden dürste.“

W 2 Band IX, Gal. 3, 23  c. 444-445 § 542-544

“Wo nun das Gewissen recht getroffen wird, dass es die Sünde recht fühlt, in Todesnöthen steckt, mit Krieg, Pestilenz, Armuth, Schande und dergleichen Unglück beladen wird und alsdann das Gesetz spricht: Du bist des Todes und verdammt, dies und das fordere ich von dir, das hast du nicht gethan, noch vermocht zu thun. Wo das Gesetz (sage ich) also herein schlägt und schreckt den Menschen mit Todes- und Höllenangst und Verzweiflung, da ist es denn hohe Zeit, Gesetz und Evangelium von einander zu scheiden wissen, und ein jedes an seinen Ort zu weisen. Hier scheide, wer scheiden kann, denn hier ist Scheidens Zeit und Noth.“

Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532) W 2 Band IX,  c. 804 § 11

“Denn Gott diese zweierlei Wort, Gesetz und Evangelium, eines sowohl als das andere gegeben hat, und ein jegliches mit seinem Befehl: das Gesetz, das vollkommene Gerechtigkeit von jedermann fordere; das Evangelium, das die vom Gesetz erforderte Gerechtigkeit, denen, so die nicht haben (das ist, allen Menschen), aus Gnaden schenke.“

Predigt vom Unterschied zwischen dem Gesetz und Evangelio (1. Januar 1532) W 2 Band IX,  c. 806 § 16

“Dagegen aber ist überaus schwer, dass du für deine Person, als ein armer, unwürdiger, verdammter Sünder, von Herzen gewisslich glauben, halten, und ohne allen Zweifel sagen sollst: Christus, Gottes Sohn, sei für deine Sünden gegeben, derer viel, dazu auch gross und schwer sind, der du doch solcher Gnade nie werth worden bist. Das ist, sage ich, freilich schwer, und grosse Mühe und Arbeit etc…

… Denn Christus ist je nicht ein solcher Mann, der von uns etwas fordere oder haben wolle, sondern ist vielmehr ein Versöhner, der alle Menschen in der ganzen Welt hat mit Gott versöhnt. Darum, bist du ein Sünder (wie wir denn in der Wahrheit alle sind, und grösser, denn wir meinen und verstehen), so mache bei Leib und Leben aus ihm nicht einen strengen Richter, der auf dem Regenbogen sitze, mit den Sündern zürne und sie verdammen wolle…“

Predigt über Gal. 1, 4-5 (1538) W 2 Band IX,  c. 779+786 § 12+23

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(14) In “vor Christus/nach Christus“, bezeichnet “Christus“ eine doppelte Realität: erstens der “verkündete Christus“, wenn das Evangelium gepredigt wird, und dann der “geglaubte Christus“, wenn der Glaube in den Herzen geschaffen wird durch das Wort von Christus. Dies sagt Paulus in Röm. 10, 14.17: “Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ RLB

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